Elfenbeinpiquéknauf
Silbermanschette,
Schuss Malaccarohr,
17. Jahrhundert

Knauf, Silber vergoldet
Schuss Malaccarohr,
18. Jahrhundert 
Bergkristallknauf
mit Emaillefassung
und Rubinen,
19.Jahrhundert

Seit 50 Jahren erfreuen sich Spazierstöcke als Sammelgebiet steigender Beliebtheit. Stöcke und Stäbe die eigentlich keine Funktion erfüllen, drücken den gesellschaftlichen Rang ihres Trägers aus: der Marschallstab, das Zepter, der Krummstab des Bischofs, der Richterstab, das Stäbchen des Offiziers, der Spazierstock.

Die Stockmode begann Ende des 17. Jahrhunderts. Die Mehrzahl dieser frühen Beispiele hat eine bestimmte Grundform. Am bekanntesten sind die englischen. Sie haben einen langen, kräftigen Knauf aus Elfenbein oder Rhinozeroshorn, individuell verziert mit Silbernägeln und dünnen, eingelegten Silberdrähten die verschiedene Ornamente in unterschiedlichen Ausführungen zeigen. Diese Technik nennt man „Pique". Die Silbermanschette unterhalb des Griffes weist gedrückte Rillen aus und fast immer einen ausgefransten Rand. Im Knauf oder aber im Schuss aus Malaccarohr waren zwei Ösen für die Schlaufe oder Silberring. Das Ende bildete eine lange Zwinge zum Schutz vor dem Dreck in den Gassen. Figürliche Griffe bildeten im 17. und  

18. Jahrhundert die Ausnahme. Am häufigsten wurden sie aus Elfenbein oder Buchsbaum geschnitzt.

Im 18. Jahrhundert wurde der Stock zu einem der wichtigsten Statussymbole und ständigen Begleiter der Herren von Adel. Als Griffform dominierte der Knauf und die Tauform. Louis XIII war der erste König, der stets einen Stock trug. Stöcke wurden zu einem beliebten Geschenk von Hof zu Hof. Die Griffe waren individuell und aufwendig gefertigt, aus getriebenem Gold und Silber, aus Schildpatt mit Goldmontierung, aus edlen Steinen, wie Bernstein, Jaspis, Türkis etc., oft zusätzlich mit Edelsteinen und Diamanten besetzt. Auch sehr beliebt waren Einlegearbeiten aus Schildpatt und Perlmutter. Aus Porzellan, dem gerade entdecktem weißen Gold, ließ man sich bemalte Knäufe und tauförmige Griffe mit Frauenbüsten, Türkenköpfen, Köpfen von Möpsen, Löwen und anderen Tieren anfertigen. Die Stöcke wurden unterhalb des Knaufes angefasst, damit dieser besser zur Geltung kam, was durch die Überlänge dieser Stöcke von 110 bis 120 Zentimetern bereits vorgesehen war. Für größtmögliche Leichtigkeit und Elastizität sorgte der Schuss aus Malaccarohr mit einer langen Messing- oder Elfenbeinzwinge und zwei Ösen für die Schlaufe.

Der Stock wurde zu einem der wichtigsten Accessoires, entspechend groß war die Auswahl der Stöcke, über die die Herren verfügten und passend zum jeweiligen Anlass auswählten. Von dem sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl, ist bekannt, dass er um die Mitte des 18. Jahrhunderts 300 Stöcke, passend zu 300 Anzügen und genau so vielen Schnupftabakdosen besaß, die er turnusmäßig trug. Auch von König Friedrich II. von Preußen weiß man, dass er eine große Sammlung luxuriöser Spazierstöcke und Schnupftabakdosen besaß. Nach dem siebenjährigem Krieg wurde ein Stocktyp mit tauförmigem Griff als sein ständiger Begleiter so populär, dass er seitdem "Fritzkrücke" genannt wird.

Zunächst flanierte, diskutierte und flirtete man, stets mit einem Stock in der Hand in den Gärten der Tuilerien, von Versailles und Fontainebleau, mit fortgeschrittenem Jahrhundert in den freieren, halbwilden Parks englischen Stils. Die modebewussten Damen wollten den Herren nicht nachstehen. Auch sie trugen Stöcke in Zeiten der besonders hohen Absätze aus reinem Spaß am modischen Accessoires. Doch mit den sich verkürzenden Absätzen gaben sie dem Sonnenschirm der vorrnehmen Blässe wegen wieder den Vorzug.

 Die Französiche Revolution schaffte die höfische Mode offiziell ab.

 Für kurze  Zeit von geringer Eleganz, avancierte der Stock jedoch beim  Großbürgertum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck ihrer  Persönlichkeit. Man trug sie passend zur jeweiligen Stimmung, was  eine starke Auswirkung auf die Gestaltung der Griffe hatte und das 19.  Jahrhundert zur Blütezeit der Stockkultur werden ließ.

 Die Stöcke waren seltener aus Gold und Silber. Zum bevorzugtem  Material wurde Elfenbein. Aus ihm ließ man sich Griffe schnitzen von  großem handwerklichem Raffinement, mit Darstellungen aus der  Tierwelt, der Mythologie, Prominenter, Totenköpfe, Hände etc., der  Phantasie waren hier keine Grenze gesetzt.


 Um 1850 entstand eine kleine Gruppe
von Stöcken mit zwei neuen  Griffformen zwei neuen aus Elfenbein: die gerade Krücke und eine mit  einem pistolenförmigen, oberen Griffende, auch Kolbengriff oder  Ziegenhainer  genannt. Seine Form gleicht dem der hölzernen Stöcke  der Studenten  früherer Zeit, die aus Ziegenhain bei Jena kamen. Eine  Vielzahl dieser Griffe wurden mit Wappen und Zirkel der  Studentenverbindungen beschnitzt.

Besondere Fertigkeiten im Schnitzen bewiesen auch die Walfänger zwischen 1840 und 60. Häufig schnitzten sie mit einfachem Werkzeug auf See wunderschöne Knäufe aus den Zähnen der Wale und Schüsse aus den Rückenwirbeln. seltener wurden aus Narwalzähnen Schüsse angefertigt.

In den Werkstätten Fabergès wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts prunkvolle Griffe und Knäufe aus hochwertigen Steinen, Gold, Email, verziert mit Diamanten und Edelsteinen, gefertigt.

Ebenfalls, Ende des 19. Jahrhunderts wurde der "Systemstock" mit zusätzlicher Funktion erfunden. Selten elegant, oft kurios, von außen meist nicht erkennbar enthält er im Griff oder Schuss die unterschiedlichsten Dinge und Vorrichtungen - aus Zweckmäßigkeit, oder zum persönlichen Vergnügen. Der Einfallsreichtum war genial: Es gab berufsbezogene Stöcke wie den des Mediziners, des Schuhmachers oder des Pferdehändlers, mit dem die Größe eines Pferdes am Widerrist gemessen wird. Daher rührt auch der Ausdruck "Stockmaß".  Catherine Dike führt in ihrem Buch "Cane Curiosa" 1600 verschiedene Systeme auf, eine Vielfalt die vom Sinnvollem bis zum Spielerisch-Originellem reicht. Zeitgleich wurden die Automatenstöcke erfunden. Den Griff bildeten Köpfe von Menschen und Tieren aus Elfenbein oder Holz. Auf Knopfdruck verdrehen sie die Augen oder Ohren und öffnen den Mund.

Einen starken Einfluss auf die Stockmode hatte auch die Zeit des Jugendstils. Die Griffe waren überwiegend aus Silber mit figürlichen Darstellungen in Form von Tieren, leicht bekleideten Frauen und Nymphen. Die tauförmigen Griffe, verziert mit floralem Dekor, werden heute häufig als elegante Gehhilfe benutzt.

In der Zeit Wilhelms II kam eine neue Griffform, der Rundhaken, in Mode. Mit ihm endete die Stockmode. Aktentasche, Fahrrad und schlussendlich das Auto ließen den Spazierstock  überflüssig werden und wurden zum Statussymbol.

Hochwertige Stöcke sind erfreulicherweise meist immer noch in ihrem Originalzustand erhalten. Als Stütze ungeeignet und als Statussymbol und modisches Accessoire wenig strapaziert, ist lediglich die Zwinge, vergleichbar mit einem Schuhabsatz oft erneuerungsbedürftig. Gebrauchsspuren mindern selten den Wert, wenn nicht die Optik zu sehr beeinträchtigt wurde, im Gegenteil, erhöhen sie gelegentlich sogar den Charme eines Stockes.